Brückenstreit am Mittelrhein

Roms Legionäre, die im Siegesrausch den altehrwürdigen Tempel in Jerusalem plünderten und verbrannten, waren Barbaren – wie die Taliban, die 2001 die zwei 1500 Jahre alten Buddhas von Bamyan sprengten. Nüchtern betrachtet aber taten beide hirnlose Horden, was in friedlichen Zeiten brave Arbeitertrupps vollbringen. Zum Beispiel die, die 1903 Dresdens anmutige Augustusbrücke von 1731 als Verkehrshindernis abrissen, damit sie durch eine höhere, breitere und wuchtigere ersetzt würde. Durch Schaden keineswegs klüger, bezahlt Dresden nun hundert Jahre später seine gegen alle Proteste durchgesetzte Waldschlösschenbrücke mit dem Verlust des Welterbestatus.

Was jetzt auch dem Oberen Mittelrheintal droht. Dort, zwischen St. Goar und St. Goarshausen, nahe der Loreley, könnte eine gigantische Brücke den Rhein queren. Vom unberührten Zauber der Uferlandschaft, den die martialischen Brückenzubringer zerstören würden, von der Würde einer in Jahrtausenden gewachsenen Kulturlandschaft sprechen die Gegner; die Befürworter kontern mit Verkehrsproblemen, besserer Anbindung der Region und der Zufahrt zum Flughafen Hahn.

Verschlankt und verniedlicht

Seit längerem bestanden kaum Zweifel, wer in diesem Brückenstreit bestehen würde, der vorerst in einen Wettbewerb mündete, den das irische Team Heneghan Peng Architects gewann. Mit der eigenen Sache dienendem Fingerspitzengefühl präsentierte das rheinland-pfälzische Verkehrsministerium ausschließlich Animationen, die den s-förmig geschwungenen Koloss mit weit ausladenden Fachwerkversteifungen in Stahlbeton aus der Vogelperspektive zeigen – also verschlanken, verharmlosen, verniedlichen. An der Barbarei des Vorgangs ändert dies nichts.

Doch man ist der Empörung müde. Seien es Dresden oder St. Goarshausen, Jerusalem oder Bamyan: Gegen das überzeitliche Bündnis aus Profitgier, Pragmatismus, Adhocismus und Engstirnigkeit ist nirgends ein Kraut gewachsen – und bleibt Kultur immer die Blaue Blume. Diejenigen, die in Dresden und eventuell in St. Goar ihr Aufbauunwesen treiben, sind keine Brückenbauer im herkömmlichen Sinne: Aktuellen, oft genug nur kurzlebigen Bedürfnissen verhaftet, überbrücken sie Probleme lediglich – so, wie Kurzsichtige seit je nur von heute auf morgen denken. Immerhin: das Verkehrsministerium Rheinland-Pfalz erklärt, man würde, sollte die Unesco darauf bestehen, auch eine Tunnellösung in Angriff nehmen.

Von Dieter Bartetzko
Text: F.A.Z.

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